Montag, September 18, 2006

strange encounter II

Letzten Samstag begab ich mich mal wieder zu den von mir so geschaetzten ruinen nahe der studentensiedlung uilenstede. bewaffnet mit kuehlem bier und ein paar dosen wollte ich dort den nachmittag und fruehen abend verbringen. auf der suche nach einer freien stelle gelangte ich schliesslich bis auf das dach des gebaeudes. dort gibt es eine art heruntergekommenen maschinenraum, in dem frueher zum beispiel die zugmaschinen fuer die aufzuege standen.
ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dort jemanden anzutreffen, und doch war ich weniger ueberrascht als man annehmen sollte. als ich besagten raum durch die tueroeffnung betrat, wurde ich sekunden spaeter einer person am anderen ende des raumes gewahr.

nach einer kurzen schrecksekunde sah ich noch einmal genauer hin und erkannte einen mann im besten alter, 40-50 vielleicht. ich hatte wohl nichts von ihm zu befuerchten, schliesslich war er zu meinem erstaunen komplett nackt. bis auf seine schuhe (der boden dort oben ist dreckig und staubig) hatte er nichts an. gar nichts. an diesem tag sollte ich also meinen ersten nackten hollaender zu gesicht bekommen. ich fragte ihn etwas verlegen, ob ich stoeren wuerde. aber er schien kein problem mit dieser skurrilen situation zu haben. seine hagere gestalt und sein freundliches aussehen, kombiniert mit dem ort unseres aufeinandertreffens, bildeten eine merkwuerdige situation, der ich mich nicht entziehen wollte. ich haette einfach wieder runtergehen koennen. stattdessen aber schien der mann froh ueber ein bisschen gesellschaft zu sein, und so kamen wir ins gespraech - ich bemueht, ihm ins gesicht zu sehen und diese surreale situation so alltaeglich wie moeglich erscheinen zu lassen; er mit der gelassenheit eines ostdeutschen fkk-anhaengers.

ich fragte ihn, ob er dort wohne (wenn ich ein penner in amsterdam waere, ich wueder mit sicherheit dort einziehen...ruhig, frische luft, elf etagen zum austoben, grandioser blick, trocken...nur im winter koennte es etwas zugig sein..) aber er entpuppte sich als ein 'normaler' hollaender, der an seinen freien tagen gerne mal hierhin kommt, um sich in ruhe in der sonne zu aalen. weiterhin schien er alles ueber die ruinen zu wissen. eine perfekte kombination - ich, neugierig weil ziemlich unwissend, er, allwissend und anscheinend mitteilungbeduerftig. die naechsten 20 minuten erzaehlte er mir alles - vorher war irgendein steuerdienst hier ansaessig, die gebaeude stehen seit ca. 10 jahren leer und es gibt noch eine menge hochwertiges elektronisches zeug, das man gewinnbringend verkaufen koennte! tatsaechlich war zu diesem zeitpunkt im haus nebenan jemand damit beschaeftigt, alle brauchbaren elektrizitaetssachen zu demontieren...jetzt weiss ich was ich machen kann wenn ich mal pleite bin!

es folgten noch eine ganze menge mehr oder weniger interessanter informationen ueber elektrische geraetschaften, den marktwert hochwertigen stahls und die kapitalvernichtung, die hier in seinen augen betrieben wird. im letzten punkt musste ich ihm recht geben; anstatt diese haeuser abzureissen, taete die stadt amsterdam angesichts der desastroesen lage auf dem amsterdamer wohnungsmarkt und dem zimmerdefizit gerade unter studenten gut daran, diese gebaeude zu studentenwohnheimen umzufunktionieren und anschliessend zu wucherpreisen zu vermieten. nebenan stehen schliesslich schon ein paar von diesen haesslichen teuren kloetzen.

langsam hatte ich genug gehoert. spruehen ist dort ueberhaupt kein problem, niemanden kuemmert es und so kann man sich dort in aller ruhe auslassen. befluegelt durch diese positive und nuetzliche information verabschiedete ich mich von ihm, um mich so langsam mal ans werk zu machen. ich fand aber direkt um die ecke eine stelle und rief hinein, ich haette etwas gefunden. er kam neugierig nach draussen (mittlerweile mit einem knappen roten schluepfer bekleidet) und begutachtete interssiert die von mir zu bespruehende flaeche. wir waren uns einig: dieser platz ist in ordnung.

er kam spaeter nochmal wieder, als ich bereits seit einer zeit zu gange war, und schaute mir ein wenig zu. ein bier wollte er nicht, stattdessen trank er orangensaft aus dem tetrapak. ich malte weiter und hoerte gleichzeitig mit halber aufmerksamkeit seinem gerede zu. es wurde nun weniger interessant. trotzdem hatte ich ein schlechtes gewissen, als er mit den worten: "ich lass dich dann wohl mal besser in ruhe" wieder rein ging. ich wollte nicht unfreundlich erscheinen. als ich spaeter fertig war und auf die andere seite des dachs wollte, um mir den sonnenuntergang zu gemuete zu fuehren, musste ich feststellen, dass er gegangen war, ohne sich noch einmal zu verabschieden. irgendwie war ich enttaeuscht.