Dienstag, Juni 12, 2007

Night On Earth

Auf dem Nachhauseweg komme ich an eine Baustelle. Die Straße ist hier in beide Richtungen mit einem Bauzaun abgesperrt, so dass man einen Umweg in Kauf nehmen muss, um auf die andere Seite zu kommen. Als ich mein Fahrrad den Bordstein hochschiebe, fährt ein Mann an mir vorbei und sagt irgendetwas. Weil ich meinen Walkman anhabe, verstehe ich ihn nicht. Nachdem wir zusammen die Straße überquert haben, beginnt er sich mit mir zu unterhalten. Mit hellseherischer Sicherheit habe ich die Ohrstöpsel vorher rausgenommen und mich so auf eine eventuelle Konversation eingestellt. Die Baustelle sei hier schon seit zwei Monaten, sagt er. So lange kam mir das noch gar nicht vor. Sie sei doch kürzlich noch etwas weiter die Straße runter gewesen, erwidere ich zurückhaltend. Naja, auf jeden Fall sei ja da jetzt der Fahrradweg fertig. Was ich denn für Musik hören würde, fragt er mich daraufhin? Er hätte gesehen dass ich Kopfhörer in den Ohren hatte ('Kopfhörer' heißt auf holländisch übrigens 'koptelefoon'). The Decemberists, antworte ich, während ich überlege, dass das eigentlich nicht so oft vorkommt und somit meinen Musikgeschmack nicht hinreichend beschreibt. Er scheint sie nicht zu kennen und fragt interessiert nach der Art von Musik. Nun, sage ich, zögernd, äh, so Folk-Rock aus den USA. Ob das also Volksmusik sei, fragt er, und ich weiß nicht, ob er mich mit dieser Frage aufs Glatteis führen will. Denn mir wird, nicht zum ersten Mal freilich, aber nochmal besonders bewusst klar, das Volksmusik und Folkmusic im Grunde der gleiche Begriff sind. Und dann schießen mir all die Unterhaltungen durch den Kopf, über volkstümliche Musik im Allgemeinen, den Begriff Volksmusik und die Unterschiede zwischen deutschem (und niederländischem) Liedgut und der Musik aus Ländern wie Spanien, den Balkanregionen, der Türkei und so weiter. Selbst der schmalzigste französische Chanson hat irgendwie noch mehr Spirit als der durchschnittliche deutsche Schlager. Nun ja, kurz und gut, ich versuche ihm irgendwie klar zu machen, wo ich persönlich die definitorische Grenze ziehe zwischen Folkmusic und Volksmusik, dabei meiner eigenen Worte nicht ganz sicher. Er scheint es hinzunehmen, wenn auch nicht ohne einem hintersinnigen Schmunzeln, das ich ihm nicht übel nehme. Es mache mich also fröhlich, fragt er. Äh, ja! antworte ich verdutzt. Wobei man ja eigentlich vernünftige Kopfhörer dazu bräuchte, und nicht diese kleinen Ohrstöpsel, die ich nur noch manchmal aus Bequemlichkeit mitnehme. Das sei vollkommen richtig, und man sehe ja in letzter Zeit sowieso immer mehr Leute mit so großen Kopfhörern auf den Straßen. Ja genau! rufe ich zustimmend, und will grade über die klanglichen Vorzüge von richtigen Kopfhörern im Vergleich zu den ordinären Ohrstöpseln anfangen zu referieren, als er rechts abbiegen muss. Ich muss noch weiter geradeaus, also verabschieden wir uns, wünschen einen schönen Abend und gehen getrennter Wege. Witzig, denke ich, als ich vergnügt weiterfahre.

Und zuhause fällt mir ein, dass diese Situation irgendwie was von Jim Jarmusch hatte. Vielleicht ist es Überinterpretation, vielleicht habe ich auch in letzter Zeit zu viele Filme von ihm gesehen. Aber im Grunde ist das ein immer wiederkehrendes Motiv: Fremde Menschen begegnen sich, verbringen eine Zeit miteinander, reden, oft über belanglosen Kram, und trennen sich wieder, wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen. Nicht dass man diese Situation verfilmen sollte, aber trotzdem...so ein bisschen...? Oder...?

3 Comments:

Anonymous Anonym meint...

dat was alweer en ontsluieren van de parallel-werelden

09:13  
Anonymous Anonym meint...

ohhhh duskussion ueber belanglose sachen kann seeehr unterhaltent sein, haengt nur von der person/ umstand ab....denke, dass man mit nem kollegen aufa couch gut belanglos sein kann und sich doch unterhalten fuehlt, als wenn ich mich mit nem bwl studenten ueber belanglosig unterhalte...

btw...koptelfoon finde ich gut :----)

09:28  
Blogger hans meint...

da stimme ich dir voll und ganz zu!!

11:52  

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