Donnerstag, Januar 18, 2007

Riders On The Storm


Armageddon. Das ist der erste Gedanke der mir in den Sinn kam, als ich heute mittag das Haus verlies. Der Wind blies schon seit Tagen ums Haus, aber irgendwie ist man das inzwischen gewöhnt.
Damit aber hatte ich nicht gerechnet. Wind ist in diesem Fall reine Untertreibung. Sturm ist das richtige Wort. Irgendwann in der Nacht muss es angefangen haben, als ich gestern nach Hause kam war noch alles normal. Plötzlich aber hat man das Gefühl, im nächsten Moment wegzufliegen. Der Wind peitscht alles vor sich her, was nicht niet- und nagelfest ist.
Die Straße ist bedeckt mit Ästen und dickeren Baumteilen. Ein umgekippter Baum, der seine besten Tage wohl bereits hinter sich hatte, versperrt einen breiten Weg, und als die Metro bei Uilenstede hält und die Türen sich öffnen, wackelt der ganze Zug. Die Tram 5 wird umgeleitet, kein durchkommen auf dieser Strecke.
Als ich Zoltan treffe, müssen wir fast schon schreien, um uns zu unterhalten. In der Uni kommen mir zwei Mädchen entgegen, die eine tränenüberströmt. Ihr Fuß scheint lädiert zu sein, die Hose hat am Knie ein Loch. Durch die Musik aus meinem Walkman höre ich nur undeutlich etwas von einem Laternenpfahl. Den Rest dichte ich mir schaudernd hinzu.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch gehe ich nach Hause. Die Tatsache, dass ich im 11. Stock lebe und meine Fenster nicht gerade vertrauenswürdig erscheinen, macht mich unruhig. Wie aus einem Alptraum taucht vor meinem inneren Auge für einige Momente das Bild von gebarstenen Fensterscheiben und einem komplett zerstörten Zimmer auf. Ein ängstlicher Blick hoch zu meinem Fenster beruhigt mich dann allerdings bald - alles noch heil.
Zurück in meinem Zimmer relaxe ich erstmal. Irgendwie hat es auch etwas behagliches, im Warmen zu sitzen, mit schöner Musik und frischem Tee und hinaus in die Apokalypse zu schauen - alles was mich vom Weltuntergang trennt sind zwei Glasscheiben, an die der Regen mitunter so heftig peitscht, das einem Angst und bange wird. Und mein Handtuch, das sich trotz komplett geschlossener Fenster auf der Wäscheleine im Windzug sanft hin und her bewegt, hält mir vor Augen, wie schön doch gut abgedichtete Fenster sind.

Dann schalte ich das Radio an und setze mich den Sturmmeldungen aus:

Der Wind hat mittlerweile Stärke 10 erreicht, in Böen kann er Geschwindigkeiten von 130 km/h erreichen.
Die Intercity-Züge im Land sind stillgelegt und durch Stoptreinen ersetzt - von und nach Utrecht und Amsterdam fährt gar nichts mehr. Der Hauptbahnhof in Amsterdam ist wegen herunterfallender Teile der Dachkonstruktion gesperrt.
Ein Schiff hat sich losgerissen und ist auf einen Öltank aufgefahren - 1600 Kubikmeter Öl sind ins Hafenbecken geflossen.
Die Schüler wurden größtenteils nach Hause geschickt, um zu vermeiden dass sie am späten Nachmittag, wo der Sturm seinen Höhepunkt erreichen soll, noch unterwegs sind.
Wer nicht wirklich raus muss, soll drinnen bleiben und vor allem nicht mit dem Auto fahren.
Im ganzen Land regnet es Schadensmeldungen. Schwere bis sehr schwere Windstöße wehen Dachpfannen von den Dächern, herumfliegende Äste gefährden Leib und Leben.
Die Staumeldungen berichten von zahllosen umgekippten Autos und LKWs, kilometerlangen Staus, Bäumen auf der Straße und abgeknickten Laternenpfählen....

Aber das alles brauche ich den Zurückgebliebenen in Deutschland wohl nicht erzählen...Good Luck!