Dienstag, September 26, 2006

Paranoia, anyone?


In Amsterdam wurde eine neue Kampagne gestartet. Die Angst vor Terroranschlägen ist allgegenwärtig, auch in den Niederlanden, und hier natürlich vor allem in Ballungszentren. Man kann nie wissen, wann sie das nächste Mal zuschlagen.
Nach dem 11.09.2001 hat sich vieles verändert. Plötzlich werden Bürgerrechte, deren Erhalt vorher selbstverständlich erschien und keiner Diskussion bedurfte, mit Füßen getreten und für nichtig erklärt. Schließlich befinde man sich im Kampf gegen den Terror; ein Argument freilich, das reichlich vage ist und trotzdem als Rechtfertigung für so manche Verschärfung der geltenden Gesetze herhalten muss. Und man lässt es sich gefallen. Schließlich ist die innere Sicherheit ein hohes Gut und muss erhalten bleiben. (Auch das wieder so ein schwammiger Begriff, ein Schlagwort ohne eigentlichen Inhalt)
Und vergessene Taschen sind nicht mehr einfach nur vergessene Taschen. Im Zuge der zunehmenden Panik vor den nächsten Anschlägen wächst der Verfolgungswahn der Bevölkerung oder zumindest der Obrigkeit. Jede vergessene Tasche könnte eine Bombe beinhalten, jeder halbwegs 'islamistisch' dreinblickende Araber wird der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt. So was nennt man dann Generalverdacht, Präventivmaßnahme oder was weiß ich.
Anscheinend ist die niederländische Bevölkerung nicht misstrauisch genug und soll zu mehr Aufmerksamkeit erzogen werden. So kann man sich zumindest die just gestartete Kampagne erklären. Auf den Plakaten (s.o.) sieht man z.B. eine aufmerksam und misstrauisch dreinblickende ältere Dame und darüber den Satz: "Wenn ich etwas verdächtiges sehe, melde ich es sofort!". Darunter der Hinweis: "eine halb versteckte Tasche? Alarmiere die Polizei oder wähle 1-1-2!"
Auf einem anderen Plakat sieht man einen Ordnungshüter, der den 'Leser' auffordert: "Sehen Sie etwas Verdächtiges? Sagen Sie uns Bescheid!"
Die ganze Aktion läuft unter dem Namen "Nederland tegen Terrorisme" (Niederlande gegen den Terror).
Nun, es geht auf diesen Plakaten allein um herrenlose Taschen. Und doch ist ihnen eine Aufforderung zum weitergehenden Denunziantentum immanent, wenn auch nicht explizit geäußert. Doch die Plakate ermutigen dazu, alles 'Verdächtige' umgehend der Polizei zu melden. Und da haben wir es wieder: Wie definiert man 'verdächtig'? Auch dies also ein reichlich schwammiger Begriff, der genügend Platz zur eigenen Interpretation bietet. Und es ist nur ein kleiner Schritt vom aufmerksamen Mitmenschen, bei dem beim Anblick einer vergessenen Tasche gleich alle Alarmglocken schrillen, zum misstrauischen Beobachter, der bei seinen Nachbarn verdächtiges Verhalten meint zu erkennen und die Polizei auf ihn ansetzt, weil er meint, seiner Pflicht als anständiger Bürger nachzukommen. Das wiederum schafft eine generelle Atmosphäre von Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen und ein ungesundes Klima in einer Gesellschaft, in der Immigranten und Andersdenkende sowieso mehr isoliert als integriert werden. Auch in den Niederlanden, lange Zeit als der Vorreiter in Sachen Integration bezeichnet, ist dieses Problem seit langem existent.
Es ist nicht verkehrt, ein wachsames Auge zu haben und sich der Gefahr von Terroranschlägen bewusst zu sein. Diese Kampagne allerdings schießt über das Ziel hinaus, schürt sie doch Ängste, die öffentlich zugängliche Plätze, den Nahverkehr, Bahnhöfe etc. mehr und mehr als ständig bedrohte und bedrohliche Orte erscheinen lassen und in weiterer Konsequenz auch das Misstrauen gegenüber unseren Mitmenschen verstärken. Und eine ausgeprägte Paranoia ist das letzte, was wir in diesen Tagen gebrauchen können.

2 Comments:

Anonymous Anonym meint...

Du solltest dich entscheiden, ob du eionen Prosatext oder eher was "wissenschaftliches" schreiben willst, von wegen Fremdwörter. Sonst aber klasse!

15:47  
Anonymous Anonym meint...

Nederland tegen bullshitisme: http://www.xs4all.nl/~jax/bullshitisme.html

12:03  

Kommentar veröffentlichen

<< Home